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"MIT OFFENEN ARMEN": TREFFEN MIT DER KATHOLISCHEN AKTION ITALIENS

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS 

Petersplatz
Donnerstag, 25. April 2024

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Liebe Freundinnen und Freunde von der Katholischen Aktion,
guten Tag und willkommen!

Danke für eure Anwesenheit. Ich begrüße euch herzlich, insbesondere den Nationalpräsidenten und den Generalassistenten. Während ich eben mitten unter euch war, habe ich Blicke gekreuzt, die voller Freude waren, voller Hoffnung. Danke für diese intensive, schöne Umarmung, die von hier aus die gesamte Menschheit einschließen will, besonders die Leidenden. Niemals dürfen wir die Menschen vergessen, die leiden.

Der Titel, den ihr für euer Treffen gewählt habt, lautet »Mit offenen Armen«. Die Umarmung ist eine der spontansten Ausdrucksweisen menschlicher Erfahrung. Das Leben des Menschen beginnt mit einer Umarmung, der Umarmung der Eltern, der ersten Geste der Annahme, der viele andere folgen, die den Tagen und Jahren Sinn verleihen, bis zur letzten Umarmung, dem Abschied vom irdischen Lebensweg. Und vor allem ist es eingehüllt in die große Umarmung durch Gott, der uns liebt, der uns zuerst liebt und niemals aufhört, uns in die Arme zu schließen, besonders wenn wir zu ihm zurückkehren, nachdem wir uns verlaufen hatten, wie es uns das Gleichnis vom barmherzigen Vater zeigt (vgl. Lk 15,1-3.11-32). Was wäre unser Leben und wie könnte sich die Sendung der Kirche verwirklichen ohne diese Umarmungen? Daher möchte ich zu euch als Anregung zum Nachdenken über drei Arten der Umarmung sprechen: die fehlende Umarmung, die rettende Umarmung und die Umarmung, die das Leben verändert.

Erstens: die fehlende Umarmung. Die Lebendigkeit, die ihr heute auf so festliche Weise zum Ausdruck bringt, wird in unserer Welt nicht immer positiv aufgenommen: zuweilen trifft sie auf Verschlossenheit, zuweilen trifft sie auf Widerstand, bei dem die Arme starr bleiben und die Hände sich drohend zusammenballen. So werden sie aus Werkzeugen der Geschwisterlichkeit zu Mitteln der Zurückweisung, einer zuweilen auch gewaltsamen Gegnerschaft, ein Zeichen des Misstrauens gegenüber den anderen, den Nahen und Fernen, bis hin zu Streit und Konflikt. Wenn aus der Umarmung eine Faust wird, dann ist das sehr gefährlich. Der Ursprung von Kriegen ist häufig eine fehlende Umarmung oder eine zurückgewiesene Umarmung, denen Vorurteile, Missverständnisse, Argwohn folgen, bis man den anderen als Feind sieht. Und all das haben wir leider in diesen Tagen in allzu vielen Teilen der Welt vor Augen! Mit eurer Präsenz und eurer Arbeit dagegen könnt ihr allen bezeugen, dass der Weg der Umarmung der Weg des Lebens ist.

Das führt uns zum zweiten Schritt. Der erste war die fehlende Umarmung, nun richten wir den Blick auf die rettende Umarmung. Bereits rein menschlich bedeutet einander zu umarmen, positive und grundlegende Werte zum Ausdruck zu bringen wie Zuneigung, Wertschätzung, Vertrauen, Ermutigung, Versöhnung. Aber sie wird noch lebensnotwendiger, wenn sie in der Dimension des Glaubens gelebt wird. Denn im Mittelpunkt unserer Existenz steht die barmherzige Umarmung Gottes, die rettet, die Umarmung des gütigen Vaters, der sich in Christus offenbart hat und dessen Antlitz sich in allen seinen Gesten – der Vergebung, der Heilung, der Befreiung, des Dienens (vgl. Joh 13,1-5) – widerspiegelt und dessen Offenbarung ihren Höhepunkt in der Eucharistie und am Kreuz erreicht, wo Christus sein Leben für das Heil der Welt hingibt, für das Wohl aller, die ihn mit aufrichtigem Herzen annehmen, während er auch seinen Peinigern vergibt (vgl. Lk  23,34). Und das alles wird uns gezeigt, damit auch wir lernen, genauso zu handeln. Deshalb sollen wir nie die rettende Umarmung des Vaters aus den Augen verlieren, Paradigma des Lebens und Herzmitte des Evangeliums, Vorbild der Radikalität der Liebe, die inspiriert ist und lebt von der vorleistungsfreien und immer überreichen Gabe Gottes (vgl. Mt  5,44-48). Brüder und Schwestern, lassen wir uns von ihm umarmen wie Kinder (vgl. Mt 18,2-3; Mk  10,13-16). Jeder von uns hat in seinem Herzen etwas von einem Kind, das eine Umarmung braucht. Lassen wir uns vom Herrn umarmen. So lernen wir in der Umarmung des Herrn, die anderen zu umarmen.

Kommen wir zum dritten Schritt. Erstens: die fehlende Umarmung; zweitens: die rettende Umarmung; drittens: die Umarmung, die das Leben verändert. Eine Umarmung kann das Leben verändern, neue Wege zeigen, Wege der Hoffnung. Es gibt viele Heilige, in deren Leben eine Umarmung eine entscheidende Wendung bedeutete, wie beim heiligen Franziskus, der alles hinter sich ließ, um dem Herrn zu folgen, nachdem er einen Leprakranken umarmt hatte, wie er selbst in seinem Testament sagt (vgl. FF  110,1407-1408). Und wenn dies für sie gegolten hat, dann gilt es auch für uns. Zum Beispiel in eurem Verbandsleben, das vielfältig ist und den gemeinsamen Nenner gerade in dieser Umarmung der Nächstenliebe findet (vgl. Kol 3,14; Röm  13,10), dem einen wesentlichen Merkmal der Jünger Christi (vgl. Lumen gentium, 42), Regel, Form und Ziel aller Mittel der Heiligung und des Apostolats. Lasst es zu, dass sie es ist, die all euren Anstrengungen und Diensten Gestalt verleiht, damit ihr eurer Berufung und eurer Geschichte treu bleiben könnt (vgl. Ansprache an die katholische Aktion, 30. April 2017).

Freunde, ihr werdet um so mehr Gegenwart Christi sein, je mehr ihr jeden bedürftigen Bruder mit Barmherzigkeit und Mitleid in die Arme zu schließen und zu stützen wisst, als Laien, die in den Geschehnissen der Welt und der Geschichte engagiert sind, mit dem Reichtum einer großen Tradition, gut ausgebildet und kompetent in dem, was in eurer Verantwortung liegt, und zugleich demütig und eifrig im Leben des Geistes. So könnt ihr auf sozialer, kultureller, politischer und wirtschaftlicher Ebene in den Umfeldern, in denen ihr tätig seid, konkrete Zeichen setzen für einen Wandel im Sinne des Evangeliums.

Dann, Brüder und Schwestern, wird die »Kultur der Umarmung« durch euren persönlichen und gemeinschaftlichen Weg in Kirche und Gesellschaft wachsen und so die Beziehungen in Familie und Ausbildung erneuern, Prozesse der Versöhnung und der Gerechtigkeit erneuern, Anstrengungen im Hinblick auf Gemeinschaft und Mitverantwortung erneuern und Verbundenheit für eine friedvolle Zukunft aufbauen (vgl. Ansprache an den Nationalrat der Italienischen Katholischen Aktion, 30. April 2021).

Und diesbezüglich möchte ich einen letzten Gedanken hinzufügen. Euch alle hier versammelt zu sehen – Kinder, Familien, Männer und Frauen, Studenten, Berufstätige, Jugendliche, Erwachsene und »sehr Erwachsene« (wie ihr die Menschen meiner Generation nennt) – lässt mich an die Synode denken. Und ich denke an die derzeitige Synode, die nun ihre dritte Etappe erreicht, die anspruchsvollste und wichtigste, die prophetische Etappe. Jetzt geht es darum, die Arbeiten der vorangegangenen Phasen in Entscheidungen umzusetzen, die der Sendung der Kirche in unserer Zeit neuen Schwung und neues Leben verleihen. Aber das Wichtigste dieser Synode ist die Synodalität. Die Themen und Argumente sind dazu da, diese Ausdrucksweise der Kirche – die Synodalität – voranzubringen. Dazu sind synodale Männer und Frauen notwendig, die fähig sind zu Dialog, Austausch und gemeinsamer Suche. Es braucht Menschen, die vom Heiligen Geist geprägt sind, die »Pilger der Hoffnung« sind, wie das Thema des sich nunmehr nähernden Jubiläumsjahres lautet, Männer und Frauen, die in der Lage sind, neue und anspruchsvolle Wege aufzuzeigen und zu gehen. Ich lade euch also ein, in den Diözesen und in den Pfarreien, zu denen ihr gehört, »Athleten und Fahnenträger der Synodalität« (vgl. ebd.) zu sein, für eine volle Umsetzung des bis hierher zurückgelegten Weges.

In den letzten Monaten habt ihr in eurer Vereinigung Momente intensiver gemeinschaftlicher Erfahrung erlebt, mit der Neuwahl der Verantwortlichen auf Diözesan- und Pfarreiebene, und heute Abend beginnt die 18. Nationale Versammlung. Ich wünsche euch, dass ihr auch diese Erfahrungen nicht als Formalitäten erlebt, nein, sondern als Momente der Gemeinschaft, Momente der Mitverantwortung, kirchliche Momente, in denen man sich gegenseitig mit Umarmungen der Zuneigung und brüderlichen Wertschätzung »ansteckt« (vgl. Röm 12,10).

Meine Lieben, ich danke euch für das, was ihr seid; ich danke euch für das, was ihr tut! Die Gottesmutter möge euch immer begleiten. Ich bete für euch. Und ich lege euch ans Herz: Vergesst nicht, für mich zu beten. Für mich, nicht gegen mich! Danke.



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